Erklärung von Ravensburg 2017

Ravensburg 2017

Gemeinsame Erklärung der kirchlichen Kollegs und Abendgymnasien Deutschlands

…,denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.

Jeremia, 29.11

Die besondere Aufgabe der kirchlichen Kollegs und Abendgymnasien in der Erwachsenenbildung

Die kirchlichen Kollegs und Abendgymnasien Deutschlands verfügen über jahrzehntelange Erfahrungen und umfassende Kompetenzen bei der schulischen Integration von Bildungsfernen und Bildungsrandständigen.

Die besondere Stärke unserer Schulen liegt in der Bereitstellung eines differenzierten und oft sehr individualisierten christlichen Bildungs- und Beratungsangebots für Erwachsene mit ganz unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen, die einen höher qualifizierten Schulabschluss anstreben.

Individuelle Einstufung, modularisierter Unterricht, sozialpädagogische, seelsorgerische und psychologische Betreuung, Sprachförderkurse, Vorkurse mit integrativem Unterricht und (in einigen Bundesländern) E-learning-Angebote sind wesentliche Bausteine unseres christlichen Bildungskonzeptes, in dem sich junge erwachsene Menschen auf Augenhöhe begegnen, von- und miteinander lernen und leben und damit zukunftssichernde Chancen zur aktiven Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben in Deutschland erwerben.

Dieses Angebot ist natürlich nicht nur für deutsche Bürgerinnen und Bürger inkl. solcher mit Migrationshintergrund, sondern gerade auch für geflüchtete Frauen und Männer, die in unsere Gesellschaft zu integrieren sind.

Nach der Erstaufnahme von Geflüchteten, der Bereitstellung von Wohnraum und Dingen des täglichen Bedarfs, der Organisation der Beschulung schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher in den vergangenen zwei Jahren stehen wir nun vor der großen Herausforderung der gelingenden Integration von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in unsere Gesellschaft.

Da diese Menschen aus ihrer Heimat nur wenige persönliche Gegenstände mitnehmen konnten, stellt ihre Familie, aber auch gerade ihre persönliche Gesinnung und Religion ihr identitätsstiftendes Element dar, das ihnen von besonderer Bedeutung ist.

Eine gelingende Integration dieser Menschen in unsere Gesellschaft kann daher nur gelingen, wenn wir ihnen zukunftssichernde Bildungschancen eröffnen und den Raum und die Möglichkeit geben, ihre Religion zu leben, sich mit ihr auseinanderzusetzen, und diese in unsere Gesellschaft mit hinein nehmen zu können.

Der interreligiöse Dialog stellt somit neben der Integration in den Arbeitsmarkt, den wesentlichen und entscheidenden Punkt für eine gelingende Integration der Geflüchteten in unsere Gesellschaft dar.

Unsere Gesellschaft ist in den vergangenen Jahrhunderten durch den christlichen Glauben geprägt worden. Dies ist nicht zuletzt durch die Verankerung dieser christlichen Gesinnung in den unterschiedlichen Kulturen und politischen Strukturen (wie z.B. Gesetzestexte und Präambeln unterschiedlicher Länder) zu erkennen. Daher ist es wichtig, dass ein Dialog aus der Mitte der Gesellschaft heraus erfolgt. Geschieht dies nicht, entsteht ein Vakuum. Dies kann leicht durch rassistische oder nationalistische Tendenzen gefüllt und ausgenutzt werden. Dies sehen wir im Moment in den politischen Strömungen in unserem Land aber auch in Frankreich, Österreich, den Niederlanden oder Ungarn.

Gerade die Kirchen und die Vertreter der christlichen Glaubensgemeinschaften sollten darauf sehr achtsam reagieren. Geprägt durch unser christliches Menschenbild müssen wir Raum und Bereitschaft für einen ernstgemeinten Dialog der Religionsgemeinschaften auf Augenhöhe anbieten und einfordern. Unsere Schulen in christlicher Trägerschaft des Zweiten Bildungsweges bieten hier einen besonderen Beitrag.

In den unterschiedlichen unterrichtlichen wie außerunterrichtlichen Beiträgen und Aktionen, geben wir erwachsenen Menschen mit Migrationshintergrund und Vertretern unterschiedlichen religiösen Bekenntnisses, die Möglichkeit in einem besonderen Raum die christliche Religion kennenzulernen und in den offenen, respektvollen  Dialog zu treten.

Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes gestaltet sich dieses Dialogangebot somit aus der Mitte der Gesellschaft, stellt ein gelingendes Angebot im Kennenlernen des Anderen in seinem Anderssein dar, und bietet somit einen Beitrag zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund durch einen authentischen interreligiösen Dialog von Erwachsenen in unserer Gesellschaft.

Zur erfolgreichen Umsetzung dieser Arbeit ist folgendes erforderlich:

  • mehr Freiheiten bei der Gestaltung des Bildungsweges / Unterrichtsgestaltung, besonders der modulartige Unterricht müsste vermehrt ermöglicht werden
  • Prüfung verschiedener finanzieller Unterstützungsmöglichkeiten beim Besuch von Vorkursen / Integrationsklassen für die Aufnahme in Abendgymnasium und Kolleg (nicht BAföG)
  • Durchführung einer kulturellen Integration, neben der Schulbildung
  • Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen durch die Flucht bei der Anerkennung bzw. Anpassung der Aufnahmebedingungen in unsere Systeme
  • Anerkennung individuell vorhandener, z.B. sprachlicher Kompetenzen bei der Gestaltung des Bildungsweges
  • Klärung der Finanzierung dieses Konzeptes von staatlicher bzw. kirchlicher Seite, besonders der zusätzlich benötigten Mittel zur pastoralen, sozialen und psychologischen Betreuung der Erwachsenen mit oft schwierigen Biographien
  • verstärkte Einbindung der Kollegs in die örtlichen Kirchengemeiden

Diese Bildungskonzeption kann den Bildungsfernen und Bildungsrandständigen helfen, positive Perspektiven für das Leben und Arbeiten in Deutschland zu eröffnen und wirkt damit nachhaltig als kirchlicher Bildungsauftrag im Kontext nachlassender kirchlicher Sozialisation und eröffnend im gesellschaftlichen Miteinander und Füreinander.

Für die kirchlichen Abendgymnasien und Kollegs

Der Vorstand:             Thorsten Bahlmann, Ellen Reuther, Norbert Keßler

E-Mail:   vorstand@kirchliche-kollegs-abendgymnasien.de